Freitag, 24. Oktober 2008

AMR 14 zu Punkt 05

URL: http://www.capital.de/unternehmen/100009347.html

Management
Attacken gegen den Chef
Management. Die Wirtschaft lebt auf, doch das Klima in vielen Unternehmen ist eisig. Misstrauen beherrscht das Verhältnis zwischen Vorgesetzten und ihren Teams. Mitarbeiter, die sich ungerecht behandelt oder zu wenig wertgeschätzt fühlen, verweigern nicht nur ihre Loyalität. Sie üben Vergeltung. Die vier Gesichter der Rache – und wie sich Führungskräfte
Die Hiobsbotschaft erreicht Friedrich Kühn, als er auf einer Messe in Frankfurt weilt. Aufgeregt teilt ihm seine Sekretärin mit, die Firma sei von Polizisten umzingelt: "Alles liegt hier lahm. Wir dürfen keinen Aktenordner anfassen." Der Unternehmer ist geschockt, sprachlos hält er das Handy in seiner Hand.
Zwei Jahre ist der Vorfall nun her. Kühn, der seinen wahren Namen nicht publik machen möchte, führt einen Fertigungsbetrieb bei Hamburg. "Jemand hatte der Polizei gesteckt, dass ich angeblich Schwarzarbeiter beschäftige." Die Beamten entdeckten auch vier Osteuropäer, die keine Arbeitserlaubnis hätten bekommen dürfen. Wie üblich hatte Kühn die Ausländer angemeldet und führte für sie ganz korrekt Sozialversicherungsbeiträge ab. Der Fehler lag also bei den Behörden. Angeschwärzt hatte ihn eine ehemalige Mitarbeiterin, die er ein halbes Jahr zuvor entlassen hatte. "Die Frau war eine chronische Querulantin", sagt Kühn. Permanent habe sie sich über ihren Lohn beschwert und schlechte Stimmung verbreitet. Nach ihrer Entlassung hetzte sie ihrem Ex-Chef die Polizei auf den Hals, wenig später zu allem Überdruss auch noch die Gewerbeaufsicht – wegen zu dunkler Arbeitsräume.
Seit Jahren steigt die Zahl der gegen die eigene Firma gerichteten Attacken: Gelder werden veruntreut, Computerviren gestreut, Betriebsgeheimnisse verraten, Unternehmen wie Manager bedroht, angeschwärzt und bloßgestellt. 1,6 Milliarden Euro betrug 2007 allein der Schaden betrügerischer Machenschaften von Mitarbeitern in Deutschland, schätzt die Euler Hermes Kreditversicherung, Marktführerin bei der Absicherung gegen firmeninterne Kriminalität. Das ist die Spitze des Eisberges, denn es handelt sich nur um die zur Anzeige gebrachten Delikte. "Racheakte kommen inzwischen in jedem Konzern vor", sagt der Kriminalpsychologe Jens Hoffmann vom Team Psychologie&Sicherheit. Welches Motiv hinter den Taten steckt – ob Rache, Gier oder Not – ist zwar nicht immer klar. Fest steht jedoch, dass die Identifikation mit dem Arbeitgeber zu schwach ist, als dass sie Mitarbeiter von ihrer Tat abhalten könnte.
Die Chefs haben es vor allem mit vier Spielarten der Rache zu tun: Frustrierte Mitarbeiter schädigen das Unternehmen, mobben ihren Vorgesetzten, verunglimpfen ihn im Internet oder schreiben Drohbriefe. Der Expertenrat auf den folgenden Seiten hilft, angemessen zu reagieren oder – besser noch – es gar nicht so weit kommen zu lassen.
1. Unternehmen schädigen.
Die fehlende Loyalität haben sich einige Firmen selbst zuzuschreiben. Brachiale Massenentlassungen, Umstrukturierungen, permanenter Leistungsdruck, sozial inkompetente Vorgesetzte: "In der Krise der vergangenen Jahre mussten etliche Menschen erfahren, dass sie für ihre Arbeitgeber in erster Linie ein Kostenfaktor sind", sagt der Organisationspsychologe Rainer Marr von der Universität der Bundeswehr in München. Jetzt befindet sich die Wirtschaft im Aufwind, aber das Vertrauen ist verspielt. Eine aktuelle Umfrage der Marktforschungsfirma Gallup ergab: Nur zwölf Prozent der Beschäftigten fühlen sich dem Unternehmen emotional stark verbunden, jeder Fünfte hat innerlich längst gekündigt und insgesamt 68 Prozent schieben Dienst nach Vorschrift.
Ein gefährlicher Zustand. Es reicht ein einziges Frusterlebnis, durch das sich ein Mitarbeiter ungerecht behandelt oder zu wenig wertgeschätzt fühlt, schon wächst der Drang, dem eigenen Unternehmen zu schaden. Besonders stark ist er im Falle der Kündigung: Im Harz zerstörte ein Ex-Mitarbeiter der Herzberger Wellpappefabrik mit einem Gabelstapler Produktionsanlagen im Wert von 25 Millionen Euro. In den USA machte sich ein gefeuerter Wal-Mart-Angestellter an einer Frachtladung iPods zu schaffen, er nahm die Geräte aus der Verpackung und ersetzte sie durch rohes Fleisch. In Bayern trieb ein Systemadministrator zum Abschied 11.000 Viren in das betriebsinterne Netz und richtete so einen Schaden von 120.000 Euro an. Jüngst warfen geschasste Mitarbeiter ihrem früheren Arbeitgeber Boeing öffentlich vor, mangelhafte Teile in seine Flugzeuge eingebaut zu haben. Und sorgten so für einen ärgerlichen Imageschaden.
Ein Großteil solcher Racheakte könnte vermieden werden, sofern die Chefs wenigstens im Kündigungsgespräch Fairness bewiesen. "Stattdessen provozieren viele noch", sagt Führungskräftecoach Matthias Wölkner. Der häufigste Fehler: Um den heißen Brei herumreden, weil man dem Betroffenen die schlechte Nachricht so schonend wie möglich beibringen will. Das Herumlavieren fördert eine Diskussion, in deren Verlauf der Mitarbeiter seine Leistung verteidigt und der Vorgesetzte gezwungen ist dagegenzuhalten, indem er ihm immer mehr Versäumnisse auftischt. "Sie bringen einfach Ihre Zahlen nicht", heißt es dann beispielsweise, und schon gesellt sich zum verlorenen Job auch noch eine gekränkte Ehre – der ideale Nährboden für Rachegelüste.
Experten raten, das Gespräch in drei Teile zu gliedern: Bereits nach dem ersten Satz müsse klar sein, dass die Kündigung unwiderruflich ist. Ein Beispiel: "Herr Schulze, ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Sie nicht weiter für uns arbeiten werden."
Im zweiten Teil gilt es, den Schritt zu begründen. Bei einer betriebsbedingten Entlassung heißt das, die wirtschaftlichen Zwänge zu erläutern und die Kriterien für die Auswahl der Betroffenen darzulegen. "Man sollte denen auch mal sagen, dass sie nichts dafür können; dass sie gute Arbeit geleistet haben", sagt Rüdiger Knaup, Anwalt für Arbeitsrecht und Professor für Personalmanagement an der Essener Fachhochschule für Ökonomie&Management. Früher war Knaup Personalchef beim Textilunternehmen Steilmann, fast 9.000 Menschen musste er in dieser Zeit entlassen. "Wer den Leuten die Schuld für die Misere gibt, ihnen etwa vorwirft, dass sie viel zu viel verdienen, darf sich über Nachtritte nicht wundern", sagt er.
Handelt es sich um eine verhaltensbedingte Kündigung, sollte man laut Knaup die Defizite benennen, ohne sich in Details zu verlieren. Und vor allem zu der Entscheidung stehen. "Natürlich ziehen Sie in dieser Situation den Ärger des Mitarbeiters auf sich." Rachegelüste kämen aber erst gar nicht auf, wenn die Führungskraft so handele, dass der Betroffene in der Rückschau denkt: "Der war wenigstens ehrlich."
Daher sollte man auch im Falle, dass die Kündigung juristisch auf wackligen Beinen steht, dies von sich aus ansprechen. "Sagen Sie dem Mitarbeiter klipp und klar, dass man sich trotzdem von ihm trennen werde. Und schlagen Sie vor, dass man sich in zehn Tagen – gerne im Beisein seines Anwalts – über die Konditionen der Trennung unterhalten könne." Erführe der Betroffene dagegen erst von seinem Rechtsbeistand, dass die Kündigung nicht so einfach durchsetzbar ist, erhalte er plötzlich Antrieb für Gegenwehr.
Damit das Gespräch so versöhnlich wie möglich endet, sollte man dem Mitarbeiter Mut machen und auf seine Stärken zu sprechen kommen. Idealerweise hilft ihm der Vorgesetzte oder die Personalabteilung weiter – mit einem Outplacement-Angebot oder der Vermittlung von Kontakten, die bei der Jobsuche weiterbringen.
2. Mobbing von unten.
Offiziell heißt es, Richard Phillips habe gekündigt, um sich eine Auszeit zu gönnen. Doch in Wahrheit wurde der ehemalige Anwalt der internationalen Kanzlei Baker& McKenzie von seiner Sekretärin derart bloßgestellt, dass sein Ausscheiden unumgänglich war. Wochen zuvor hatte sie bei einem Arbeitsessen die Hose ihres Chefs versehentlich mit einem Spritzer Ketchup bekleckert. Phillips ermahnte die Mitarbeiterin mehrmals in rüdem Ton, ihm die Reinigungskosten in Höhe von vier Pfund zu erstatten. Die aber tat etwas anderes: Per E-Mail informierte sie alle Kollegen über das Gebaren des Anwalts. Phillips machte als geizigster Boss Englands Schlagzeilen.
Systematisches Mobbing mag hier noch nicht vorliegen. Der Fall offenbart dennoch, wie gefährlich es werden kann, wenn Chefs sich respektlos verhalten. Führungskräfte sollten wissen: Für herrisches oder arrogantes Verhalten kriegen sie früher oder später die Quittung. Besonders gefährdet für Angriffe von unten sind neue Chefs. Gründe gibt es viele: Die Mannschaft ist misstrauisch, weil sie jemanden vor die Nase gesetzt bekommen hat, den sie nicht kennt. Oder sie trauert dem alten Chef nach. Möglicherweise hatten andere aus dem Team gehofft, auf den Posten befördert zu werden.
"Das Mobbing von unten hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen", sagt Nobert Copray, Direktor der Fairness-Stiftung, der bedrängte Führungskräfte berät. Copray hatte beispielsweise mit dem Vertriebsleiter eines Pharmaunternehmens zu tun, der sofort nach Antritt seines Postens mit der Aufräumarbeit begann: Unter seinem Vorgänger war es üblich gewesen, dass die Kunden mit üppigen Geschenken bedacht wurden – ein klarer Verstoß gegen die Firmenrichtlinien. Der Neue drohte nun Sanktionen gegen all jene an, die sich weiterhin der unlauteren Praxis bedienten. Daraufhin stellten ihn die Mitarbeiter gegenüber den Kunden als brachialen, schikanösen und obendrein unfähigen Chef dar.
Um einen solchen Fehlstart zu vermeiden, sollte die neue Führungskraft schon in den ersten Tagen den Grundstein für ein Vertrauensverhältnis zu den Mitarbeitern legen. Der erste Schritt: Die Antrittsrede. "Geben Sie darin eine Art Regierungserklärung ab", sagt Personaltrainer Hans-Jürgen Kratz. Ankündigungen zu inhaltlichen Veränderungen seien fehl am Platz. Es gehe um den Führungsstil, die richtige Balance aus Autorität und Beteiligung. Kratz rät zu Aussagen der folgenden Art: 1. Die nötigen Entscheidungen werde ich treffen – nicht im stillen Kämmerchen, sondern nach Einholung Ihrer Meinung. 2. Ich werde mich dabei auf Ihre Fachkompetenz stützen. 3. Kritik übe ich mit der Absicht, Fehler zu vermeiden – nicht um jemanden an den Pranger zu stellen.
Der nächste Schritt: Mindestens einstündige Einzelgespräche. Hinterher sollte die Führungskraft über jeden Mitarbeiter wissen, welche Qualifikationen er besitzt; ob er eher introvertiert oder extrovertiert ist; wie sich sein Potenzial steigern lässt. "Diese Erkenntnisse helfen, den Mitarbeiter in der Folge richtig anzupacken", so Kratz.
Was aber tun, wenn sich das Team trotzdem gegen mich stellt, meine Anweisungen ignoriert, mir Informationen vorenthält oder mich vor anderen in ein schlechtes Licht rückt? "Finden Sie heraus, wer Rädelsführer ist und wer nur Mitläufer", sagt Mobbing-Experte Axel Quandt. In Einzelgesprächen gelte es dann, die Drahtzieher zu isolieren, indem man die Mitläufer auf die eigene Seite zieht. "Zeigen Sie Menschlichkeit, indem Sie sagen, dass die Situation Sie belastet. Machen Sie aber gleichzeitig klar, dass Sie das Verhalten nicht länger dulden. Und schaffen Sie Anreize – nach dem Motto: Wer mir hilft, der profitiert."
Fairness-Berater Copray rät zu einer Aktion, die für alle sichtbar einen Neustart einleitet. Das könnte ein Workshop sein mit dem Ziel, neue Regeln zu schaffen. „Sie können Ihre Mitarbeiter aber auch auffordern, Ihnen anonyme Briefe zu schreiben, in denen sie ihre Kritik äußern und ihre Vorstellungen von Führung beschreiben sollen.“ Allein das Thematisieren der Probleme führe oft schon zu einer besseren Atmosphäre. Sei dies nicht der Fall, helfe nur die Abmahnung der revoltierenden Mitarbeiter. "Zeigen Sie aber auch dann Ihre Bereitschaft zu einem Neuanfang – ohne jede Bitterkeit."
3. Verbalattacken im Web.
Irgendwann hatte Martin Sorrell die Diffamierungen satt. Der Chef des weltweit zweitgrößten Werbekonzerns WPP wurde in einem Weblog, einer Art Kolumne im Internet, als sexsüchtiger Mafioso dargestellt. Sein Spitzname: Don Martino. Besonders bösartig war eine Karrikatur mit dem Titel "Der Mafia-Wicht und seine Schizo-Nymphomanin" – eine Anspielung auf die inoffizielle Liebesaffäre des 1,67-Meter-Mannes mit der WPP-Managerin Daniela Weber. Sorrell wehrte sich. Er sorgte dafür, dass die Seite schon nach drei Tagen aus dem Netz verschwand. Doch wenig später geisterte der Mafia-Verschnitt des englischen Werbe-Tycoons erneut durchs Internet: "Entschuldigen Sie vielmals, Don Martino, dass wir Sie gestört haben. Aber hören Sie auf, Weblogs zu schikanieren", heißt es an einer Stelle.
Getrieben von dem Verdacht, dass sein ehemaliger Mitarbeiter Marco Benatti hinter der Sache stecke, zog Sorrell vor Gericht. Benatti war 2005 im Streit aus dem Konzern ausgeschieden und früher ebenfalls mit Daniela Weber liiert – gleich zwei Motive für einen Racheakt. Zum Urteilsspruch kam es nicht, da sich die Rivalen überraschend auf ein Vergleichsangebot einigten. Sorrell erhielt Schadenersatz: 120.000 Pfund.
Diffamierungen im Internet haben stark zugenommen. Sie sind fast schon eine Art Betriebssport. Der Aufwand ist gering, die Wirkung groß: Gerade in Weblogs verbreiten sich Gerüchte über den ungeliebten Konzernlenker viel schneller als außerhalb der Onlinegemeinde. Denn es ist üblich, dass ihre Autoren, kurz Blogger genannt, ihre Einträge mit denen anderer Weblogs verlinken. Wütende Mitarbeiter nutzen das Internet darüber hinaus zur Solidarisierung. Gleich mehrere Foren beschäftigen sich mit Mobbing bei VW. Eines davon hat Detlev Lengsfeld ins Leben gerufen, einst IT-Fachkraft bei der VW-Tochter Autostadt. Auf www.mobbing-gegner.de stellt Lengsfeld seinen damaligen Chef, den technischen Vorstand Claus Hohmann, an den Pranger. Was er damit beabsichtigt? „Wir kämpfen nicht nur gegen Mobbing, wir dokumentieren was uns angetan wurde und starten den Gegenangriff“, heißt es auf der Website.
Hohmann weiß, wie hart einen derlei Veröffentlichungen treffen. Was einmal im Netz stand, lässt sich nicht einfach streichen. Gibt er seinen Vor- und Nachnamen in die Suchmaschine von Google ein, erscheint schon an auf der ersten Seite die Mobbingaffäre. Martin Röll, selbst erfahrener Blogger und Berater von Unternehmen im Umgang mit dem Medium, warnt vor voreiligen rechtlichen Schritten. Zwar hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass Betreiber von Foren für Diffamierungen durch Dritte haften. Faktisch hilft das aber wenig: Muss ein Weblog-Betreiber Äußerungen löschen, tauchen diese wenig später an anderer Stelle wieder auf. Zudem mache man sich in der Bloggerszene unbeliebt. Wie kann man sich sonst wehren?
Solange sich die Diffamierung auf einen Weblog-Kommentar beschränke, sollte man laut Röll gar nichts tun. Würde sie von weiteren Autoren aufgegriffen, müsse man einschreiten. Für Unternehmen ist es also wichtig geworden, die Meinungsmache im Internet zu beobachten. Mehrere Firmen bieten solches Webmonitoring inzwischen als Service an.
Reagieren können Manager, indem sie Spezialisten wie die US-Firma Reputation-Defender einschalten. Die verhandeln dann mit den Weblog-Betreibern, versuchen zu erwirken, dass zumindest der Nachname aus dem Weblog-Eintrag verschwindet. Klappt das nicht, sollte man sich am Diskurs im Weblog beteiligen oder auf der eigenen Homepage Stellung nehmen und dem Netz die Verbreitung überlassen. Wer offen kommuniziere, so Webexperte Röll, beuge Gerüchten vor. Beispielhaft ist das Weblog von Jonathan Schwarz, dem CEO von Sun Microsystems. Er gewährt so Einblicke in die Konzernstrategie, stichelt bisweilen gegen die Konkurrenz. Positiver Nebeneffekt: Durch die selbst verfassten Internetbeiträge verdrängt man vereinzelte Diffamierungen durch andere Meinungsbeiträge.
4. Anonyme Drohbriefe.
Als der Top-Manager einer großen deutschen Bank einen anonymen Brief mit einer Morddrohung erhielt, reagierte er erst gar nicht. "Erst als ein zweites Schreiben kam, wurde dem Mann der Ernst der Lage bewusst", berichtet Experte Hoffmann vom Team Psychologie&Sicherheit. Die Zahl anonymer Briefe, in denen Führungskräften mit Gewalt oder Rufschädigung gedroht wird, sei in den vergangenen Jahren stark gestiegen. "Zwei Drittel der Dax-Konzerne zählen inzwischen zu unseren Kunden."
Mittels psychologischer und linguistischer Analysen ermitteln Hoffmann und seine Kollegen den Verfasser oder engen den Täterkreis zumindest stark ein. Das Problem sei, dass die attackierten Chefs dann oft ein Machtwort sprechen wollen. "Das aber führt zur Eskalation." Es gelte vielmehr, den Betroffenen raus zu halten und eine gezielte Gesprächsstrategie zu entwerfen: Bei Lebensgefahr darf der Mitarbeiter nicht noch weiter in die Enge getrieben werden. In weniger gravierenden Fällen hilft Abschreckung nach dem Motto: Wir kriegen dich, hör also besser auf.
Im Fall des bedrohten Bankmanagers fand Hoffmann heraus, dass ein Filialmitarbeiter den Brief verfasst hatte, dessen Zeitvertrag nicht verlängert worden war. Als das feststand, wurde der Mann in die Zentrale bestellt, wo ihn eine Gruppe von Leuten empfing – darunter auch Polizisten. Im Gespräch machten ihm Vertreter des Unternehmens klar, dass sie sein Verhalten nicht tolerieren, die Sache aber erledigt sei, sofern die Drohbriefe künftig ausblieben. "Am Tag darauf", so Hoffmann, "kam der Mann wieder in die Zentrale, er wollte sich entschuldigen."
Der beste Schutz vor Rache ist Fairness. Dazu gehört, so Praktiker Copray, eine ethische Orientierung. Derart strukturierte Chefs "handeln nicht nur nach ökonomischen Prinzipien. Sie streben in Verhandlungen Win-Win-Situationen an, sind aus Engagement für die Sache an einem funktionierenden Team interessiert und behandeln ihre Mitarbeiter respektvoll", so der Direktor der Fairness-Stiftung.
Denn wenn Mitarbeiter unter dauerhafter Überforderung, Mobbing von oben oder Angst vor dem Jobverlust leiden, kann es gefährlich werden. Mitunter sogar lebensgefährlich: Am 5. Juli 2004 erschoss ein 56-jähriger Abteilungsleiter der Züricher Kantonalbank zwei seiner Vorgesetzten mit einer Armeepistole. Er hatte sich von ihnen schikaniert gefühlt.
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von Mischa Täubner
capital.de, 17.01.2008
© 2008 capital.de © Foto / Illustration: , shutterstock

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