Sonntag, 26. Oktober 2008

Anlage AMR 21 zu Punkt 4

Als einer der wenigen Fernsehsender kümmert sich der WDR um das Schicksal von Mobbing-Opfern und zeigt die ganze Grausamkeit auf, die Menschen durch Menschen zugefügt wird. Und unsere Politiker sind immer noch der Meinung, ihre Gesetze würden reichen. Man kann nur hoffen, dass 2008 sich endlich die ein Ohr verschaffen können, die schon seit langem eine klare und einfache Gesetzesstruktur gegen Mobbing fordern und einen Handlungs- und Weisungsbefugten Ombudsmann, denn es zum Beispiel in der Schweiz gibt. hg
http://www.wdr.de/tv/markt/20071217/b_4.phtml
Mobbing: Albtraum am Arbeitsplatz (Folge 3), 10.12.2007
Mobbing in deutschen Unternehmen sorgt für Verluste in Milliardenhöhe. Gemobbte Mitarbeiter leisten nur noch einen Bruchteil, wenden ihre Kreativität gegen die eigene Firma oder werden schlicht krank. markt XL zeigt, wie man Mobbing frühzeitig erkennen und gegensteuern kann.
Von Ravi Karmalker
„An einem Samstagmorgen hatte ich dann diesen Zusammenbruch“, erinnert sich Klaus P., über zwei Jahre Hausmeister in einer Senioreneinrichtung. „Den Laden in Schuss halten“, war sein Motto, und er tat es gerne. Besonders der Kontakt zu den alten Menschen lag ihm am Herzen: „Da hat man natürlich schon kleine Freundschaften aufgebaut. Die Leute sitzen da in dem Altenheim und warten quasi auf den Tod. Die freuen sich über jeden, der mal stehen bleibt und nachfragt, wie es ihnen geht oder wie es früher war. Es ist eigentlich schade, dass ich da nicht mehr bin.“
Der Absturz kam mit dem neuen Bereichsleiter. Das Verhältnis geriet schon beim ersten Zusammentreffen in eine Schieflage: statt Höflichkeit negative Kritik - grundlos. „Er sagte, wir müssten unten im Keller nach der Heizung gucken, da wäre irgendetwas dran. Er ist mit mir in den Raum gegangen, und dann fing er an: Die Heizung sei nicht gewartet worden, was ich denn da gemacht hätte, ich sei schon zwei Jahre Hausmeister ... Und dabei habe ich selber gesehen, dass die gewartet worden ist und habe gedacht: Was will der eigentlich von mir? Der wollte seinen Druck irgendwie loswerden, das konnte man merken. Und dann ist er ausgeflippt.“
Klaus P. suchte sofort das Gespräch mit der Geschäftsführerin. Die wiegelte jedoch ab: Der Kollege sei neu, stünde unter Druck, das würde sich schon legen. Doch es kam anders. Egal was Klaus P. erledigte, der neue Bereichsleiter lauerte ihm regelrecht auf, putzte ihn täglich runter: Nichts war gut, nichts ging schnell genug. Als Hausmeister hatte Klaus P. vorher alle Aufgaben, auch den Einsatz von Fremdfirmen, eigenverantwortlich koordiniert. Plötzlich entschied man über seinen Kopf hinweg.
Damit nicht genug, drängte der neue Bereichsleiter den Hausmeister bald zu Aufgaben, die vertraglich nicht festgeschrieben waren. Dabei wurde Klaus P. bewusst Gefahren ausgesetzt, zum Beispiel an dem Tag, als er die Starkstromanlage reparieren sollte. Zum ersten Mal gab Klaus P. auf. Er ist kein Elektriker und wusste: Da droht Lebensgefahr! Aber genau das wurde ihm wiederum zum Vorwurf gemacht.
All das war offenbar Teil einer gezielten Zermürbungstaktik. Das ahnte Klaus P. damals noch nicht. Doch die Heimleitung hatte zu dem Zeitpunkt schon einen neuen, günstigeren Hausmeister in Aussicht und wollte, dass Klaus P. selbst kündigt. Mobbingexperte Prof. Dr. Pfaff kennt solche Methoden: „Ich glaube, der Fall ist ein Fall, den man überschreiben könnte mit ‚Feige Personalpolitik‘. Es geht darum, wer was macht und wie viele Leute noch in der Einrichtung sein sollen. Und man versucht jetzt, diese Personalpolitik zum Teil über Mobbing zu lösen, indem man praktisch darauf setzt, dass, wenn man jemandem das Leben schwer macht, er irgendwann aufgibt.“
Und genau das scheint hier der Fall gewesen zu sein. Mit der Heimleiterin hatte sich Klaus P. jahrelang gut verstanden. Doch auch sie schloss sich plötzlich der Kampagne gegen den Hausmeister an, erinnert sich Klaus P.: „Da saß sie vor mir und sagte, ich hätte meinen Job nicht im Griff, und wonach ich meine Aufgaben überhaupt erledigen würde. Ich fragte, wie das funktionieren soll, wenn ich doch keine Informationen kriege? Dann haben die mir noch eine Frist von 14 Tagen gegeben.“
Doch die Frist war reine Makulatur. Am gleichen Tag noch wurde Klaus P. mit einem neuen Kollegen konfrontiert, einem Freigänger, der über eine Rehabilitierungsmaßnahme an die Stelle gekommen war und den Träger des Seniorenheims genau genommen null Euro kostete. Klaus P., zu dem Zeitpunkt noch offiziell Hausmeister, wurde vom Neuen zur Hilfskraft degradiert.
Dass es sich hierbei um einen schweren Fall von Mobbing handelte, war Klaus P. nicht bewusst. Auch nicht, dass er sich Hilfe bei Antimobbing-Hotlines und Fachleuten hätte holen können. Stattdessen versuchte er durchzuhalten, hoffte, dass alles bald vorbeigehen würde. Das war ein Trugschluss. Knapp drei Monate später folgte der Nervenzusammenbruch. Nach mehrmonatiger Krankheit kündigte Klaus P. seinen Job - ohne Abfindung. Derzeit ist er Hartz-IV-Empfänger: „Das ist Wahnsinn, wenn man erkennt, dass die dich absägen wollen auf eine ganz linke Tour. Und wenn einem das bewusst wird, fällt man wie in ein Loch ... freier Fall!“
Mobbing: Albtraum am Arbeitsplatz (Folge 4), 17.12.2007
Von Ravi Karmalker
„Fünf Jahre habe ich Antidepressiva geschluckt, und an manchen Tagen habe ich gedacht, wenn du jetzt zur Arbeit gehst, das hältst du alles gar nicht aus. Das war die Hölle für mich! Und dann habe ich natürlich meinen Glauben gehabt, und der hat mir da schon sehr geholfen.“ So schildert Ursula W., Mitte 50, die jahrelangen persönlichen Anfeindungen, die sie im Job erfahren hat. Ihre Stellung als stellvertretende Abteilungsleiterin in einem Großmarkt war nicht ihr Traumjob. Damals war sie einfach nur froh, nach über einem Jahr Arbeitslosigkeit überhaupt eine Stelle gefunden zu haben.
Doch schnell wurde Ursula W. klar, dass ihre Vorgesetzte ein Problem mit ihr hatte. „Sie hat immer wieder über meine Haare gelästert und über meine Frisur. Ich sollte doch mal zum Friseur gehen, und mit welchen Klamotten ich denn rumlaufen würde. Aber irgendwie habe ich das auch nicht überbewertet, sondern habe gedacht, das wird schon wieder.“ Aber möglicherweise war es genau diese Haltung, die ihre Vorgesetzte auf die Palme gebracht hat. Jedenfalls hörte sie nicht auf, Ursula W. zu kritisieren und bei Dienstbesprechungen auch vor Kollegen lächerlich zu machen.
„Und dann ging es wirklich los: Ich würde die Kunden nicht richtig beraten, sei nicht ordentlich und würde im Prinzip meine Arbeit nicht richtig machen. Aber das stimmte doch alles gar nicht.“ Danach hatte es den Anschein, als hätten sich die Kollegen gegen sie verbündet. Jedenfalls wurde sie konsequent geschnitten. Verspottet wurde sie mal hinter vorgehaltener Hand, mal offen. Gegrüßt wurde sie auch kaum mehr.
Der Mobbingexperte Prof. Dr. Pfaff hat viele Fälle untersucht, in denen aus persönlichen Abneigungen regelrechte Mobbingkampagnen wurden. Er sagt dazu: „Es ist immer schwierig, wenn zwei Menschen nicht zusammenpassen, aber zusammenarbeiten müssen. Dann hat man grundsätzlich ein Problem. Aber man kann versuchen, die Sache professioneller aufzuziehen, dass man sagt, wir verstehen uns konkret nicht, aber versuchen, die Regeln einzuhalten.“ Doch ein solches Gespräch fand nie statt.
Stattdessen wurde aus persönlichen Animositäten schnell ein formelles Problem. Die Abteilungsleiterin trug ihre Kritik an Ursula W. der Geschäftsleitung vor. Die Betroffene erinnert sich: „Auf einmal bekam ich eine Abmahnung! Ich glaube, ich war in dem Moment wie vom Blitz getroffen, weil das alles gar nicht stimmte. Das war so was von erstunken und erlogen.“ Aber ihr Chef glaubte der Vorgesetzten mehr als ihr.
Der seelische Druck stieg. Aber kündigen wollte Ursula W. nicht, zu groß war die Angst vor der Arbeitslosigkeit. Also wandte sie sich an die Gewerkschaft. Dort erfuhr sie, dass sie grundsätzlich gegen die Abmahnung vorgehen könne, es sei jedoch schwer, Mobbing nachzuweisen. Man riet ihr, ein Mobbing-Tagebuch zu führen. Doch zu diesem Zeitpunkt nahm Ursula W. schon Antidepressiva, kam den alltäglichen Pflichten gerade noch so nach. Zusätzlich noch ein Tagebuch zu führen, dazu fehlte ihr die Kraft. Schließlich brach sie zusammen. Ihr Hausarzt schrieb sie krank.
Insgesamt zog sich die Mobbingkampagne über mehrere Jahre hin, bis sie die dritte Abmahnung und schließlich auch die Kündigung bekam. Daraufhin ging Ursula W. zu einem Rechtsanwalt. Der handelte eine Abfindung und ein gutes Arbeitszeugnis aus. Rückblickend sagt Ursula W.: „Zwei Jahre war ich krankgeschrieben, das kann die Abfindung auch nicht wiedergutmachen. Jetzt versuche ich gerade, von diesen Antidepressiva runterzukommen. Vielleicht finde ich danach wieder einen Job.“

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